Serbien – ein Land, über das die meisten von uns wenig wissen. Mit ein bisschen Mühe bekommen die meisten Mitmenschen eine handvoll Fakten zusammen: Der Staat ist ein Produkt des jugoslawischen Zerfalls in den 90er Jahren, unregelmäßig sind das Land und sein Präsident wegen Problemen rund um den Kosovo in den Medien und ab und zu tritt ein Fußballclub namens „Roter Stern“ auf der internationalen Bühne auf. Doch wie lebt es sich wirklich in diesem Land an Schwelle zwischen Mitteleuropa und Balkan? Was bewegt Jugendliche, was lernen sie, wovon träumen sie? – Mit wenig Vorwissen machten sich am 16. September zehn Elftklässler des Kreisgymnasiums St. Ursula Haselünne mit ihren Lehrkräften Frau Wendt und Herrn Ostermann auf zur allerersten Runde eines Austausches mit dem IX. Belgrader Gymnasium „Mihailo Petrović Alas“, mit dem das KGH vor Kurzem eine Partnerschaft eingegangen ist. Eine weitere Partnerschaft des Haselünner Gymnasiums, welche die Europäische Union über ihr Programm „Erasmus+“ fördert.
Das erste Aufeinandertreffen der deutschen und serbischen Schüler am Belgrader Flughafen war noch von höflicher Vorsicht geprägt: Passen wir zueinander? Norddeutsche Kleinstadt traf hier auf serbische Metropole! „Wir sehen uns morgen Mittag am Pionirski Park, gegenüber vom Parlament, für eine Stadtführung“, verabschiedete der serbische Kollege Bora Rakočević die serbisch-deutschen Schülerpaarungen und für alle ging es dann auf ins Unbekannte, auf in völlig unherbstliche 30 Grad, weil in Südeuropa der Sommer einfach länger dauert. „Ich wusste ja gar nicht, was mich erwartet“, erzählt Romy aus der 11c. „Ich hab dann von zuhause erzählt, beispielsweise dass Herzlake etwa 4.000 Einwohner hat. Da schaute mich meine Gastschwester an und meinte, so viele lebten bei ihnen im Wohnblock auch.“ Schnell aber lernten die Emsländer, dass ein Zuhause in Serbien zwei Gesichter haben kann. „Von außen sind acht Stockwerke grauer Beton natürlich erst mal ganz anders als ein Haus auf dem Land. Aber wenn man erst mal in der Wohnung sind, ist das modern und gemütlich, eben auch ein Zuhause“, erklärt Marlene aus der 11b.
In der folgenden Woche haben die jungen Deutschen dann nicht nur Belgrader Wohnungen und Schulunterricht am IX. Gymnasium, sondern auch das Umland der serbischen Hauptstadt kennen lernen dürfen. Ausflüge führten die Haselünner und Belgrader ebenso auf den Hausberg der Hauptstadt, Avala, wie in die Gruft der serbischen Königsfamilie Karađorđević in Oplenac. Auch die zweitgrößte Stadt Serbiens, Novi Sad, stand auf dem Programm: „Während Belgrad unter osmanischer Besatzung blieb, lag Novi Sad in der k.u.k.-Monarchie, wo größere Freiheit herrschte. Deswegen sieht hier nicht nur alles etwas westlicher, nämlich österreichischer aus, sondern deswegen liegt beispielsweise das Serbische Nationaltheater in Novi Sad, nicht in Belgrad“, erklärte Herr Ostermann, der vor seiner Zeit am Kreisgymnasium zwei Jahre in Serbien gelebt und gearbeitet hat und Initiator dieser Schulpartnerschaft ist.
Vor allem lernten die 17-Jährigen aus dem Emsland die serbische Gastfreundschaft kennen. „Ich glaube, ich komme mindestens 5 Kilo schwerer nach Hause“, erklärt Fabian aus der 11b. „Meine Gastmutter ist nicht nur eine hervorragende Köchin, sondern kommt auch ständig mit neuen Köstlichkeiten an, die man nun wirklich nicht stehen lassen kann!“ Eine weitere Erfahrung, die alle Teilnehmenden des Austauschs so teilen konnten. Doch nicht nur das Essen, auch die Chemie stimmte unter den deutschen und serbischen Schülern. Es wurde gemeinsam gelacht, getanzt und sich verbrüdert. Doch es wurde auch gemeinsam gearbeitet: Auf Deutsch – es es sich aus serbischer Perspektive um einen Sprachaustausch handelt! – erarbeiteten gemischte Gruppen Ideen, wie das IX. Gymnasium und das Kreisgymnasium St. Ursula noch umweltfreundlicher werden können.
Für den 23. September jedoch war der Rückflug gebucht – und nach einem tränenreichen Abschied im neuen Terminal des Belgrader Flughafens „Nikola Tesla“ wird es nun ein Jahr dauern, bis im September 2024 die serbischen Schüler endlich Haselünne besuchen können. Heiß darauf, ihren serbischen Brüdern und Schwestern das ländliche Norddeutschland zu zeigen, sind die jungen Emsländer aber schon jetzt. „Wir werden ein grandioses Programm auf die Beine stellen und ihnen zeigen, wie Schule und Alltag bei uns aussehen“, verspricht Thomas aus der 11a – auch wenn die Haupterkenntnis dieser acht Tage in Belgrad war, dass junge Menschen eigentlich ganz ähnlich leben, lernen und träumen, völlig gleich, welchen Pass sie bei sich tragen.