„Glücklicherweise wissen heutzutage alle Menschen, dass verschmutztes Wasser und verschmutzte Luft eine große Gefährdung für Mensch, Natur und Umwelt darstellen“, erklärt Dr. Tobias Allmers, Physiklehrer am Kreisgymnasium St. Ursula Haselünne. „Nicht bewusst ist einer großen Mehrheit jedoch, dass auch Lichtverschmutzung ein großes und wachsendes Problem für unseren Planeten darstellt.“ Noch immer verbinden viele Menschen nächtliche Beleuchtung ausschließlich mit einem Sicherheitsgefühl und sehen es als Zeichen für Wohlstand. Dabei sind die negativen Folgen einer Welt, in der es nie richtig dunkel wird, vielfältig: Viele Mitteleuropäer haben die Milchstraße noch nie gesehen, jahrhundertealtes Wissen um Sternbilder geht verloren. Noch drastischere Konsequenzen zeitigt unser Lichtüberfluss jedoch für die Tierwelt, denn nachtaktive Insekten sterben an Laternen, Zugvögel werden von viel zu hellen Lichtquellen vom Weg abgelenkt, am Strand schlüpfende Schildkröten krabbeln nicht ins Meer, sondern zu hell erleuchteten Strandbars, wo sie den Tod finden. „Unsere Aufgabe als Schule sollte es sein, hier ein Problembewusstsein zu schaffen und an möglichen Lösungen zu arbeiten“, so Allmers.
Aus diesem Grund haben Dr. Allmers und seine Kollegin Sabine Suelmann vom Haselünner Gymnasium ein Projekt gestartet, welches sich insbesondere an naturwissenschaftlich interessierte Schülerinnen wendet. Gemeinsam mit Schülerinnen der indischen Uttam School for Girls in Ghaziabad, am nordöstlichen Stadtrand Delhis gelegen, bauen und programmieren die jungen Haselünnerinnen unter Anleitung ihrer Lehrkräfte Messgeräte zur Beurteilung der Qualität des Nachthimmels. „Als wir uns das erste Mal auf diese Programmierung eingelassen haben, kannten wir uns natürlich kaum damit aus. Das ist dann schon einschüchternd“, sagt Emma aus der 9b. „Aber unsere Lehrer helfen uns ja. Wir haben uns mittlerweile mit der Aufgabe angefreundet und lernen jetzt unglaublich viel dazu.“ Die Projektplanung sieht vor, dass in Haselünne und Ghaziabad insgesamt 30 identische Messgeräte eingesetzt und in einem langfristigen Prozess immer weiter verbessert werden. Emma und ihre beteiligten Mitschülerinnen werden dann im mittleren Emsland geeignete Messorte suchen, um zu messen, wie hell der Himmel bei uns nachts noch ist. Weil in Indien derselbe Typ Messgerät zum Einsatz kommt, können die Projektteilnehmerinnen die indischen mit den deutschen Daten vergleichen. Diese Art der internationalen Projektarbeit war dem Pädagogischen Austauschdienst PAD der Kultusministerkonferenz eine Förderung wert, welche den Projektstart im August 2020 deutlich erleichtert hat.
„Shruti, bist du da?“ – „Ja, ich kann euch gut sehen und hören.“ Was wie eine in Pandemiezeiten völlig normale Videokonferenz-Unterhaltung klingt, spielt sich an einem Samstagvormittag im Informatikraum des Haselünner Kreisgymnasiums ab. Die Zeitverschiebung sowie die unterschiedlichen Strategien zur Schließung und Öffnung von Schulen machen es notwendig, dass die deutsch-indischen Teams sich am Wochenende über den Stand des Projektes austauschen. So eröffnen Sabine Suelmann und ihre indische Kollegin Shruti Dayal die Zoom-Konferenz und übergeben das Wort dann an Mädchen, welche die Ergebnisse ihrer Gruppenarbeiten vorstellen. Jede Gruppe ist deutsch-indisch gemischt; obwohl viele der Inderinnen Deutsch als Fremdsprache lernen, geht die Kommunikation doch auf Englisch vor sich. Ehrlicherweise ist für viele Schülerinnen dieser interkulturelle Aspekt mindestens ebenso faszinierend wie die Beschäftigung mit einem MINT-Forschungsthema: „Am Projekt hat uns anfangs besonders interessiert, dass wir neue Kontakte mit indischen Mädchen aufbauen können,“ erklärt Daria aus der 9b. Ganz einfach sei die Kommunikation jedoch nicht immer. Glücklicherweise seien Sprach- und Kulturunterschiede aber keine unüberwindlichen Barrieren. Die gemeinsame Arbeit und das gemeinsame Ziel schweißen die Deutschen und die Inderinnen erfolgreich zusammen.
Doch auch dieses ambitionierte Projekt aus Haselünne ist von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen; das von Dr. Allmers und dem Haselünner Schulassistenten Michael Dohmen gefertigte Mess-Equipment liegt noch immer im Emsland. Der Versand an die Uttam School for Girls erfolgt nach einiger Verzögerung erst jetzt. „Die Geräte hätten längst in Indien sein sollen, aber der Transport war zwischendurch ziemlich eingeschränkt“, erklärt Dr. Tobias Allmers. Sogar um einen Transport im Diplomatengepäck habe man sich bemüht – vergebens. Jetzt sei man optimistisch, dass für 15 Messgeräte noch im März die Reise gen Indien beginnen könne. Glücklicherweise sei diese Verzögerung nicht fatal. „Das Projekt mit Indien ist ohnehin auf Dauer angelegt“, erklärt er. Die Messungen sollen jährliche und längerfristige Helligkeitsveränderungen am Nachthimmel aufzeigen. Die dabei entstehenden Erkenntnisse können dann als objektive Argumente dienen, um sowohl bei privater als auch der Stadtbeleuchtung ein Umdenken zu erreichen. Ferner plant das KGH einen Besuch im Biosphärenreservat Pfälzerwald, um dortige Messergebnisse mit dem emsländischen Nachthimmel zu vergleichen. Die Inderinnen denken derweil über einen Besuch im Observatorium nach. Und mittelfristig, so freuen sich beide Lehrkräfte, ist sogar ein Austausch zwischen Ghaziabad und Haselünne denkbar – wenn wir alle wieder reisen können.